Irritation #002, 1483 -1542

Schließfächer in Bahnhöfen finde ich irritierend. Ja schon, auf den ersten Blick scheinen sie ja ganz nützlich zu sein. Sagt jeder. Aber wenn ich mit der Bahn unterwegs bin, nutze ich die Dinger nie. Ich frage mich des Öfteren, wer benutzt sie? Wieso schließt man da etwas ein? Und, was schließt man da ein?
Ich stelle mir vor, ich reise von München nach Finnentrop zu Tante Trude. Finnentrop liegt im Sauerland. Es ist nicht gerade leicht hinzukommen. Aber was macht man nicht alles für Tante Trude. Tante Trude wird 90ig und sie erwartet von mir, dass ich die Gratulation nicht fernmündlich vornehme. Schon gar nicht kann Sie sich vorstellen, dass ich dies mit diesen neumodischen Mitteln wie E-Mail, WhatsApp oder anderen sozialen digitalen Verbindungsmöglichkeiten mache, denn erstens kennt Tante Trude sich damit nicht aus und zweitens hat sie noch einen alten Telefonanschluss mit einem Wählscheibentelefon. Mich verwundert das. Denn in der Restrepublik finde ich in den Häusern und Wohnungen meiner Verwandten, Freunde, Bekannten, Geschäftspartner ausschließlich Tastentelefone. Wieso funktioniert das noch? Ich habe schon mal bei der Telekom angerufen, die gaben mir die Info…. Aber das führt zu weit.
In München brauche ich kein Schließfach. Denn selten, nein nie, bin ich drei Stunden vor Zugabfahrt am Bahnhof. Und damit mir in diesem Falle dann nicht die Arme vom Tragen oder Ziehen so lang würden, schlösse ich meinen Koffer ein. Wie ich schon schrieb, so etwas kommt nicht vor und damit kann ich also die Schließfächer als nutzbringendes, öffentlich zugängliches Aufbewahrungsmobiliar beim Antritt einer Reise ausschließen.
Die Verbindung von München nach Finnentrop ist keine direkte, sondern man bekommt auf jeden Fall die Möglichkeit, eine oder zwei oder drei weitere sehenswerten Bahnhöfe in interessanten Städten, wie z.B Hagen im Sauerland, kennenzulernen. Wer schon einmal dort war, weiß, dass Hagen bei dem Wettbewerb ‚Unsere Stadt soll schöner werden‘ auf dem dritten Platz gelandet ist. Es wird allerdings ungern mitgeteilt, dass nur vier Orte mitgemacht haben. Der vierte ging an ein kleines Dorf nahe Grevenbroich, welches in kommenden Jahr dem Nutzen des Tagebaus weichen muss und in dem auch niemand mehr wohnt.
Kehren wir aber wieder zurück zu meinen Schließfächern. Ich möchte schnell von A nach B kommen, hier also von München nach Finnentrop. Ergo wähle ich, und ich denke das wird jeder Mensch so sehen und so machen, eine Verbindung bei der ich nicht auf einem Umsteigebahnhof mir 4 ½ Stunden die Beine in den Bauch stehe oder die vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten des schienenbasierten Verkehrsknoten nutze, sondern eine Verbindung, bei der ich geschwind, ohne Hast von einen Zug in den anderen wechseln kann. Schließfach? Brauche ich nicht. Ich könnte allerdings im Verlaufe der ersten Teilstrecke mir überlegt haben, dass ich die wollenen Socken und die abnehmbare Anhängerkupplung beim Geburtstag von Tante Trude nicht benötige. Dann wäre das Schließfach wahrlich etwas, was zu nutzen wäre. Aber ich muss erstens gestehen, ich habe keine abnehmbare Anhängerkupplung und zweitens sehe ich höchst selten jemanden im Zug mit einer für einen Anhängerzug konzipierte Erweiterung für Fahrzeuge.
In Finnentrop angekommen, drängt es mich natürlich sofort zu Tante Trude. Was hätte es auch für einen Sinn, das Reisegepäck, in dem ja auch das Geschenk enthalten ist, im Bahnhof zu belassen. Keinen!
Und doch sind sie da. Die Größe der Schließfächer lässt für mich nur einen Schluss zu: Sie sind, wie in amerikanischen Schulen, Aufbewahrungsboxen. In den Kleinsafes mit geringer Sicherheit werden die Kleinigkeiten des Lebens, die Pausenbrote, die Rauchwaren, die Schminkutensilien, Toupetreiniger, Deos,… gelagert. All das was ein Schaffner, Zugeinweiser, Schienenpolierer, Fahrkartenautomatkontrollierer, Passfotoautomatinspektionsfachangestellter,… eben halt braucht in den Pausen seines erwerbsmäßigen Schaffens am und im Bahnhof.

 

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